(* 10. Juli 1924 in Hinternah) war eine deutsche Sintezza und Überlebende des Völkermordes an den Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten.
Zilli Reichmann war eine Tochter von Berta „Batschka“ Reichmann (* 1884) und Anton „Jewero“ Reichmann (* 1882). Sie hatte vier Geschwister: zwei Schwestern, Hulda (* 1911) und Anna, genannt „Gucki“ (* 1916), sowie zwei Brüder, Stefan, genannt „Stifto“ (* 1907), und Otto, genannt „Hesso“ (* 1926). Die Eltern waren als Schausteller, Musiker und Hausierer auf Wanderschaft unterwegs und betrieben ein Wanderkino. Der Vater war zudem ein gefragter Handwerker, der Bruder Stefan handelte mit Geigen. Der Wohnwagen der Familie wurde von einem Lanz Bulldog gezogen, was darauf hinweist, dass die Reichmanns gut gestellt waren. Die Familie war katholisch und gehörte zu den Lalleri, einer ursprünglich in Südosteuropa, vor allem in Böhmen und Mähren beheimateten Teilminderheit der Roma.
Mit 15 Jahren wurde Zilli schwanger und brachte am 6. Mai 1940 eine Tochter zur Welt. Sie erhielt die Namen Ursula Josefine und wurde „Gretel“ genannt. Ihr Vater war Moritz Blum, der einer befreundeten Familie angehörte; das Paar blieb nicht zusammen. Moritz Blum ging ins Ausland und schickte ein Telegramm an Zilli, sie solle ihm folgen, was sie aber nicht wollte.
Mit dem Auschwitz-Erlass vom 16. Dezember 1942 ordnete Heinrich Himmler die Deportation aller im nationalsozialistischen Deutschen Reich lebenden Sinti und Roma an. Der Familie Reichmann gelang es zunächst, verschont zu bleiben, indem sie häufig ihren Aufenthaltsort wechselte, um Polizei und Behörden zu entgehen. Stefan Reichmann wurde zur Wehrmacht einberufen, was in der Familie die Hoffnung weckte, „Zigeuner“ würden als „vollwertige Deutsche“ anerkannt.Am 11. März 1943 wurde Zilli mit einer Gruppe weiterer Frauen und Männer in das sogenannte Zigeunerlager im KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Bei ihrer Ankunft musste sie sich vor SS-Männern nackt ausziehen, die Haare wurden ihr abgeschnitten und die Zahl „Z1959“ auf den Arm tätowiert.
Rund ein halbes Jahr später wurden auch ihr Vater, ihre Mutter, ihre Tochter sowie ihr Bruder Otto und ihre Schwester „Gucki“ mit ihren sieben Kindern in Auschwitz eingeliefert. Ihre Schwester Hulda war inzwischen verstorben. „Gucki“ hatte kurz vor ihrer Deportation noch einen kleinen Jungen geboren: Der Säugling wurde ihr aus Eger in einem Paket nachgeschickt und kam tot an.
Am 17. März 1943 wurde auch Zillis Bruder Stefan nach Auschwitz deportiert, noch in Wehrmachtsuniform und mehrfach ausgezeichnet. Im Lager durften die Familien zusammenbleiben, die Sinti durften ihre Instrumente behalten und mussten als Kapelle für die SS spielen; auch eine Fußballmannschaft wurde aufgestellt.
Zilli arbeitete in verschiedenen Bereichen wie dem Kindergarten, in der Küche, in der Schreibstube und der Bekleidungskammer. Durch ein Loch in der Barackenwand beobachtete sie Hinrichtungen der Politischen Abteilung. Während ihres Aufenthalts im KZ wurde sie von dem Arzt Josef Mengele untersucht, der ein besonderes Interesse an ihr zeigte. Sie lernte den Lagerältesten Hermann Dianski kennen und begann ein Verhältnis mit ihm. Dimanski strich Zilli zweimal von der Liste zur Vergasung, an ihrer Stelle wurden vermutlich andere Frauen getötet.
„Das Zigeunerlager, das war gar nicht weit weg von der Gaskammer. Mein Kind kam immer zu mir: „‚Mama, Mama, da hinten werden die Menschen verbrannt.‘ Habe ich gesagt: ‚Nein …, da backen sie Brot.‘ ‚Nein, Mama, da tun die Menschen rein‘“, die hat das gewusst. Mit vier, fünf Jahren.“
Zilli wurde am 2. August zusammen mit ihrer Cousine Tilla in das KZ Ravensbrück verlegt, nicht zuletzt, weil Mengele ihr eine Ohrfeige gab, damit sie zurück in den Waggon sprang, nachdem sie schon wieder herausgesprungen war; so verdankte sie ihm ihr Leben.
In der folgenden Nacht wurden ihre Eltern, ihre Schwester „Gucki“ und deren sieben Kinder sowie Zilli vierjährige Tochter Gretel mit rund 3000 weiteren Menschen vergast.
Ihre beiden Brüder Otto und Stefan überlebten, weil sie wie Zilli Stunden zuvor in ein Arbeitslager verlegt worden waren. Ab dem 3. August 1944 befand sich Zilli im KZ Ravensbrück, anschließend wurde sie in ein Außenlager des KZ Sachsenhausen verlegt. Dort wurde sie als Zwangsarbeiterin bei den Arado Flugzeugwerken in Wittenberg eingesetzt, wo sie Bleche drehen musste. Am 24. Februar 1945 gelang Zilli und ihrer Cousine Tilla mit Hilfe eines Zivilarbeiters, der ihnen zuvor schon Essen zugesteckt hatte, die Flucht. In Folge der Lagerhaft erkrankte Zilli an Tuberkulose.
1948 heiratete sie Anton Schmidt „auf Zigeunerart“, also ohne Standesamt. Anton Schmidt hatte eine Haft im KZ Neuengamme überlebt und war Berufsmusiker. Zilli arbeitete für die Musiker als Kassiererin und verkaufte zudem als Hausiererin Perserteppiche.
Zilli und Anton lebten zunächst in Ludwigshafen, später in Mannheim. 1970 bezogen sie auf Dauer eine Wohnung. Am 30. März 1973 heiratete das Paar standesamtlich. Anton Schmidt starb 1989.
Zilli lebte ab 2009 wieder in Mannheim, nachdem sie nach dem Tod ihres Mannes zunächst in die Nähe ihres Bruders Otto nach Mülheim gezogen war. Mit ihrer Familie war sie noch häufig im Wohnwagen unterwegs.
2022 starb Zilli im Alter von 98 Jahren in Mannheim.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zilli_Reichmann
Haumann, Heiko: „Die Akte Zilli Reichmann.“ Verlag: S. Fischer, 2016 ISBN: 978-3-10-397210-internal://2b6145d9-f9e4-478e-a267-c07e3fed1d97
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